Neues aus der Mongolei
2. bis 8. Juli 2012

Renate Bormann, Berlin, Ulaanbaatar
(© Text & Fotos)


Große Staatsversammlung 2012-2016. Foto Ulsyn Ikh Khural

Wer wird Koalitionspartner der Demokraten?
Einem Erlass von Präsident Elbegdorj zufolge, versammelten sich die neu gewählten Mitglieder der Großen Staatsversammlung am 06. Juli zu ihrer ersten Sitzung nach den Wahlen.
Zuvor hatte der Präsident die ihm vom Vorsitzenden der ZWK überreichten Wahlergebnisse anerkannt.


Frauen in der Großen Staatsversammlung. Foto ZWK

69 von 76 Abgeordneten legten ihren Amtseid ab. Darunter neun Frauen: L. Erdenechimeg, Ts. Oyungerel, S. Odontuya, die ihre Mandate für die DP direkt gewannen, hinzukommen M. Batchimeg und R. Burmaa (DP-Parteiliste), T. Uyanga (Direktmandat für die MRVP/MNDP), Z. Bayanselenge (MRVP/MNDP-Parteienliste), D. Oyunkhorol gewann ihr Direktmandat im Zavkhan-Aimag und ist die einzige weibliche Abgeordnete der MVP in der Staatsversammlung. S. Oyun, eine der drei Vorsitzenden der Zivilcourage-Grüne Partei gewinnt ihren Sitz über die Parteienliste.
Die Demokratische Partei hat zwar die meisten Mandate (31) errungen, für eine Alleinregierung wären aber 39 erforderlich gewesen.
Nun hat sie die Wahl zwischen ihrem ehemaligen Koalitionspartner Mongolische Volkspartei (bis 2010 Mongolische Revolutionäre Volkspartei) mit vorerst 25 Mandaten und dem Wahlbündnis aus MRVP und Mongolischer Nationaler Demokratischer Partei (elf). Das Pikante daran: Die MRVP hat sich erst vor Monaten von der MVP abgespalten, ihr Vorsitzender Expräsident N. Enkhbayar steht unter Korruptionsanklage und war von den Wahlen ausgeschlossen worden.
Eine Koalition mit der Zivilcourage-Grüne Partei (zwei Mandate) und/oder mit den drei Unabhängigen verfehlte gleichfalls die nötige Mehrheit.
Eine Koalition zwischen den beiden „Schwester"parteien gilt als sehr unwahrscheinlich.
Im Uvurkhangai-Aimag sind noch Klagen gegen die beiden MVP-Gewinner wegen Verstoßes gegen das Wahlgesetz anhängig, in zwei Hauptstadtwahlkreisen kommt es zu Stichwahlen, da der Dritt- bzw. Zweitplatzierte die erforderlichen 28 Prozent verfehlte. Damit hat D. Arvin (MVP) noch die Chance, ihren Wiedereinzug in die höchste Volksvertretung zu sichern.
Drei Abgeordnete der MRVP/MNDP verweigerten vorerst den Amtseid zugunsten der ausgeschlossenen Kandidaten ihres Bündnisses. Noch hätte das Verfassungsgericht über die Klage gegen die Nichtzulassung von Enkhbayar und zwei anderen Kandidaten des Bündnisses nicht entschieden.
Gegen eine schnelle Regierungsbildung sprechen auch Zwistigkeiten innerhalb der DP. Parteivorsitzender N. Altankhuyag, mutmaßlicher Ministerpräsident und Präsident Elbegdorj (seine Mitgliedschaft ruht) gelten nicht gerade als Freunde. Elbegdorj trat seinerzeit als Parteivorsitzender zurück, weil er strikt gegen eine Koalition mit der MVP war. Altankhuyag löste ihn ab, wobei Elbegdorjs Einfluss auf die Partei als höher eingeschätzt wird.
Die MRVP/MNDP ließ bereits durchblicken, in eine Koalition mit den Siegern eintreten zu wollen. Das knüpften diese dann allerdings an Bedingungen. N. Enkhbayar wäre als Minister nicht vermittelbar.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Neuauflage der Großen Koalition ist jedoch größer, haben sich dafür doch bereits DP-Chef Altankhuyag und die Sprecher der innerparteilichen Flügel (Altan Gadas und Bund der demokratischen Kräfte, Ch. Saikhanbileg und Z. Enkhbold) ausgesprochen. Auch Präsident Elbegdorj wäre dem nicht abgeneigt. Er fürchtet nichts so sehr wie ein Comeback von N. Enkhbayar.
Außerdem fordert die MRVP/MNDP, 100 Prozent von Oyutolgoi!! und Tavantolgoi in Staatseigentum zu überführen. Außerdem kann der DP an einer starken MVP-opposition nicht gelegen sein.
Exverkehrsminister Kh. Battulga stellt dieses Szenario allerdings in Frage. Nicht nur bringt er sich selbst als Ministerpräsident ins Spiel, er schließt auch eine Koalition mit der Enkhbayar-Partei nicht aus. Über den Parteivorsitz müssten demnächst die DP-Führungsgremien neu entscheiden.

Der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission, N. Luvsanjav, erklärte auf der ersten Sitzung der Staatsversammlung, die Stichwahlen in den Wahlkreisen 22 und 26 könnten erst nach der Sommerpause erfolgen. Die Bereitstellung der technischen Voraussetzungen (Wahlzettel) wäre vorher nicht zu schaffen.
Auch die Sitzordnung im Versammlungssaal hat sich verändert: Die DP-Abgeordneten sitzen jetzt auf der rechten Seite, die MVP-Abgeordneten links, MRVP/MNDP, Unabhängige und Zivilcourage-Grüne an der Nordseite.
Alle Beobachter sind sich einig: Die Zusammensetzung der Staatsversammlung in der Legislaturperiode 2012-2016 lässt auf echte Oppositionsarbeit hoffen. Nicht nur erhöhte sich die Zahl der Frauen von drei auf neun, die Kräfte der wahrscheinlichen Opposition wären ungleich stärker und erfahrener als in der Vergangenheit.
(Meldungen in deutschen Medien, die Opposition hätte die Wahlen gewonnen, entbehren nicht einer gewissen Komik. Bildete doch diese Opposition von 2008 bis Anfang 2012 mit der MVP eine Koalitionsregierung).

Gleichzeitig mit den Wahlen zur Großen Staatsversammlung stimmten die Hauptstädter über die Zusammensetzung der 45-köpfigen Stadtverordnetenversammlung ab.
Auch in der Stadtverordnetenversammlung, in den letzten Jahren eine Bastion der MVP, wird zukünftig die DP die Oberhand haben. Von den 30 Direktmandaten konnte sie 20 gewinnen. Die restlichen 15 wurden über Parteienlisten vergeben: Außer den beiden großen Parteien konnten nur noch die MRVP/MNDP und die Zivilcourage - Grüne Partei die Fünf-Prozent-Hürde überspringen.
Nach den aktuellen Informationen aus der Hauptstadtwahlkommission gehen 26 Sitze an die DP, 14 an die MVP, vier an die MRVP/MNDP und einer an die ZCGP
Der neue Bürgermeister der Hauptstadt wird wohl erstmals ein Mitglied der DP sein und hieße Erdeniin Bat-Uul, Spitzenkandidat der Hauptstadtdemokraten. Für seine Kandidatur hatte er auf einen aussichtsreichen Listenplatz für die Wahl zur Großen Staatsversammlung verzichtet.

Die Forderung der MVP und anderer Parteien, die Stimmzettel in allen 26 Wahlkreisen von Hand nachzählen zu lassen, wurde von der ZWK zurückgewiesen.

Neue Führung für die MVP?
Zunächst hatte der Fraktionsvorsitzende der MVP U. Enkhtuvshin erklärt, die Abgeordneten seiner Partei würden den Amtseid vorerst verweigern und der ersten Sitzung fernbleiben. Damit wollten sie gegen die Nichtberücksichtigung ihrer beiden Kandidaten im Uvurkhangai-Aimag protestieren. Nochministerpräsident S. Batbold konnte seine Parteikollegen jedoch überzeugen, die Arbeitsaufnahme der Staatsversammlung nicht zu verzögern.
Gleichzeitig mehren sich die Gerüchte um einen Führungswechsel in der Partei. Batbold und sein umstrittener Generalsekretär U. Khurelsukh hatten angekündigt, sollte die Partei nach der Namensänderung (von MRVP zu MVP) die Wahlen verlieren, stellten sie ihre Posten zur Verfügung. Jedenfalls stehen M. Enkhbold, der seinerzeit von S. Bayar in einer Kampfabstimmung vom Posten des Parteivorsitzenden abgelöst worden war und Fraktionsvorsitzender U. Enkhtuvshin bereit.


Ausbesserungsarbeiten an den Straßen rund um den Sukhbaatarplatz und in Richtung Zentralstsdion wurden rechtzeitig abgeschlossen

„Wir müssen die Fehler der Vergangenheit bei der Stadtentwicklung und Stadtplanung schnellstens korrigieren"
DP-Spitzenkandidat für die Ulaanbaatar-Stadtverordnetenversammlung E. Bat-Uul erklärte, das Wahlergebnis eröffnete die Möglichkeit, die Stadtentwicklung im Interesse der Bürger voran zu treiben.
Vor allem die Verbesserung der Lebensqualität in den Gervierteln sei in der Vergangenheit sträflichst vernachlässigt worden. Der Ausbau der Infrastruktur dort würde tatsächlich den Straßenverkehr ins und im Zentrum Ulaanbaatars entlasten. Schließlich müsste auch das Gesetz über das Eigentum an Boden endlich umgesetzt werden. Den Gerbewohnern müsste es ebenso leicht gemacht werden, ihre Eigentumsrechte registrieren zu lassen, wie den „Gebäude"bewohnern.
Der Bau von Schulen und Kindergärten, die Ansiedlung von Produktions- und Dienstleistungsbetrieben würde den Verkehrsstrom morgens ins Zentrum und abends aus dem Zentrum reduzieren.
Auch die Ausrüstung mit umwelttauglichen Öfen stecke noch in den Anfängen. Die Luftverschmutzung hätte in den vergangenen Jahren stetig zu und nicht abgenommen.
Der Generalsekretär der Zivilcourage-Grüne Partei Ts. Gankhuu hofft, dass nun über den Bau einer Metrolinie in der Hauptstadt ernsthaft nachgedacht werde. Außerdem müsste in allen Stadtbezirken Freizeit- und Sporteinrichtungen für die Jugend eingerichtet werden.


Blick über den Sukhbaatarplatz zur Ulaanbaatar-Stadtverwaltung

3000 Unternehmen und Organisationen haben „Erdenes Tavantolgoi"-Aktien geordert
Vom 28. Mai bis zum 30. Juni haben 3000 mongolische Unternehmen und Organisationen von ihrem Recht Gebrauch gemacht, Aktien des Staatsunternehmens „Erdenes Tavantolgoi AG" zu erwerben.
Das Steueramt meldete Bestellungen über 93 Millionen Stück.

2000 Stück Vieh im Schnee verendet
Ab 25. Juni hat es in den Aimags Selenge, Orkhon und Bulgan mit Unterbrechungen bis zum Ende des Monats geschneit, 2 100 Tiere verendeten.
In weiten Teilen des Landes herrscht oder herrschte Trockenheit, bis starke Regenfälle auch in Ulaanbaatar Straßen und Wege unpassierbar machten.
In Sukhbaatar und Khovd starben drei Kinder. Sie ertranken in plötzlich entstandenen Wasserlöchern.

Naadam 2012
Nur noch wenige Tage bis zum Nationalfeiertag „Naadam" und aus den Aimags werden täglich neue Viehherden, hauptsächlich Hammelherden, nach Ulaanbaatar, genauer in die Umgebung von Ulaanbaatar, getrieben.
Egal aus welchem Aimag, die Tiere kosten von 80 000-100 000 Tugrug (Lämmer) bis 180 000 Tugrug.
Naadam ohne Airag ist ebenfalls unvorstellbar. Von Jahr zu Jahr werden mehr Lizenzen für den Ausschank der gegorenen Stutenmilch ausgegeben.
Ein Liter kostet in Ulaanbaatar um die 4 000, ein Becher 2 000 Tugrug.
Im Vergleich zum vergangenen Jahr bedeutet dies eine Verdopplung der Preise. Das hängt auch mit der stärkeren Kontrolle der Verkaufsgenehmigungen zusammen.
Höhepunkt auch der diesjährigen Feierlichkeiten werden die Naadamringwettkämpfe – 512 Ringer kämpfen um den Sieg - und das große Volksfest auf dem Sukhbaatarplatz am 11. Juli sein.
Während der Feiertage will die Verkehrspolizei alle fünf Minuten über eventuelle Verkehrsbehinderungen informieren.
Im vergangenen Jahr wurden während Naadam 324 Verkehrsunfälle gemeldet, 85 Menschen erlitten teils schwere Verletzungen, drei starben.

Drei Goldmedaillen für Ye. Tugstumur
Bei den Asiatischen Schachjugendmeisterschaften in Hikkaduwa (Sri Lanka) vom 24. Juni bis zum 02. Juli gewann der sechsjährige Ye. Tugstumur drei Goldmedaillen.
Der junge Mongole siegte in seiner Altersklasse in den Kategorien Standard-, Blitz- und Schnellschach.
Insgesamt gewannen Mongolen bei diesen Meisterschaften 3 Gold-, 2 Silber- und 5 Bronzemedaillen.

11 198 Straftaten im ersten Halbjahr
Im ersten Halbjahr dieses Jahres registrierten die Polizeibehörden landesweit 11 198 Straftaten, das sind 10,7 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
9,2 und 2,6 Prozent der Taten fallen unter die Kategorien schwere und sehr schwere Delikte, wobei letztere im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 7,9 Prozent aufweisen.
Zu den Opfern von Straftaten gehörten 54 Ausländer, darunter 17 Bürger aus der VR China, sieben aus der Russischen Föderation, 12 aus Südkorea, zwei aus Japan, fünf aus den USA und elf aus anderen Ländern.
Infolge von Straftaten starben 503 Menschen.
In Ulaanbaatar registrierte die Polizei jeden Tag 35 Straftaten, landesweit waren es 61.

Allen Lesern von MongoleiOnline ein wunderbares, erlebnisreiches Naadamfest.
Ta bukhen saikhan naadaarai! R.B.


Ulaanbaatar wächst und wächst ._


   

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