Wochenendtrip in die Mongolei für „Die lustigen Weiber von Windsor"

Renate Bormann, Ulaanbaatar


D. Dolgormaa und D.Tuya als Frau Reich und Frau Fluth

Von Berlin nach Ulaanbaatar, um die Premiere einer deutschen Oper in mongolischer Sprache zu erleben? Als am vierten Oktober im Opern- und Balletttheater von Ulaanbaatar die ersten Töne der Ouvertüre zur komisch-phantastischen Oper „Die lustigen Weiber von Windsor" erklangen, waren tatsächlich eigens aus Deutschland angereiste Mongolei- und Musikliebhaber unter den Besuchern.

Doch die mongolisch-deutsche Geschichte des Opernhauses von Ulaanbaatar reicht viel weiter zurück: 1943 entwarf Gerhard Kosel (heute 95 Jahre alt), ein vor den Nazis in die Sowjetunion geflüchteter Berliner Architekt, im Auftrag Stalins und der mongolischen Regierung die Pläne für das Projekt.


Prof. G. Kosel (im Rollstuhl) am 24.08. in Waßmannsdorf

Erst 25 Jahre später, Kosel lebte inzwischen in Ostberlin, erfuhr er von der Verwirklichung dieser Pläne. Unter Mitwirkung japanischer Kriegsgefangener wurde das klassizistische Gebäude am Südostrand des Sukhbaatarplatzes Anfang der 50-er Jahre fertig gestellt. Seitdem wechselten auf der Bühne des Hauses farbensatte mongolische Folkloreprogramme und die Nationaloper „Die drei traurigen Hügel", russische Ballette und italienische Opern, Soloprogramme europäischer, amerikanischer und asiatischer Künstler einander in schöner Regelmäßigkeit ab.

Vor zwei Jahren hatte der Büroleiter der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Ulaanbaatar die Idee, das Opernhaus für seine Geburtstagsparty zu mieten. Mongolen wundern sich über fast gar nichts, die Feier wurde ein voller Erfolg.

So überrascht waren einige der Gäste darüber, mit welchem Charme und in welch hoher Qualität die Sänger, Tänzer und Musiker eines Nomadenvolkes Werke der europäischen Klassik darboten, dass sie beschlossen, einen Verein zur Förderung der Oper von Ulaanbaatar zu gründen. Denn die staatlichen Zuwendungen für Kunst und Kultur im allgemeinen und das Opern- und Balletthaus im besonderen sind begrenzt. „Die Freunde der Oper zu Ulaanbaatar" aus Berlin, Bremen, Lübeck, Issum und Schönefeld sammelten Geld für Text- und Notenbücher, für neue Instrumente und auch das eine oder andere Requisit. Mongolische Opernsänger und -sängerinnen gaben im vergangenen Jahr in Berlin ein umjubeltes Konzert.

Als sich in Ulaanbaatar der Vorhang zur Otto-Nicolai-Oper „Die lustigen Weiber von Windsor" hob, Sir John alias Bassist Oyunchuluun „Als Büblein klein an der Mutterbrust" sang, spendeten die Premierengäste, darunter Staatspräsident Natsagiin Bagabandi, Minister, Staatssekretäre, ausländische Diplomaten begeisterten Applaus.

Das für manchen Geschmack etwas zu bunt-verschnörkelte Bühnenbild und die phantastievollen, gelb-rot-grün-golden glitzernden Kostüme gefielen den Mongolen, alten und jungen, ausnehmend gut. Die aufwändig gestaltete Traumszene wurde gebührend bestaunt, der erfolgreich hinters Licht geführte Falstaff etwas mitleidig, aber laut ausgelacht.

Neun Opernfreunde verpassten allerdings die Premiere: Das Flugzeug, das sie von Berlin nach Ulaanbaatar bringen sollte, musste wegen Sturm und Schneefällen einen Zwischenstopp in Peking einlegen.

Einen Tag später, der Himmel war wieder strahlend blau, konnten sie die zweite Vorstellung der ersten deutschen Oper in der Mongolei genießen und begannen schon Pläne für die Vorbereitung der nächsten Premiere zu schmieden.


   

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Last Update: 03. Januar 2022