Mit dem Unimog durch Gobi und Khangai

Von Hugo Kröpelin / Berlin

Wie kommen wir in die Gobi? fragten Asaf, Ronit und Sheila im Biergarten des „Khan-Bräu". Hier, im Zentrum von Ulan Bator, ist sozusagen eine lockere Reisebörse. „Wie lange habt Ihr denn Zeit?" fragte ein Deutscher vom Nachbartisch herüber. „Knapp zehn Tage noch"!" Nach dieser Antwort wählt der Mann per Handy eine Nummer, und nach einer halben Stunde schaut er um die nächste Straßenecke und sagt: „Das Fahrzeug ist schon da." Die drei staunen nicht schlecht: In der Straße um die Ecke steht vor ihnen ein „Unimog 416", Baujahr 1971, Motor und Getriebe generalüberholt, 100 PS. Bis Anfang 2000 stand das Kraftpaket noch im Ruhrgebiet zum Verkauf, wo es als Werkstattwagen im Bergbau gedient hatte. „Mit dem fahrt ihr, da oben sind Eure Plätze", sagt Erka, der eigentlich Enkhbaatar heißt und diesen Riesen fährt. Er geht voran auf das Oberdeck hinter der Fahrerkabine und zeigt ihnen die sechs bequemen Polstersitze. Vorbei müssen sie zwischen Regalen durch einen Gang. „Jede Menge Stauraum für Koffer, Ruck- und Schlafsäcke, Zelte, Decken und Matten, Kühlschrank, Lebensmittel-Alu-Behälter und Gaskocher. Auch ein Ersatzrad und die Campingmöbel haben hier Platz. „Machen wir gleich eine Probefahrt", schlägt Erka vor. Und der Deutsche fügt hinzu: „Denn wenn wir morgen starten wollen, müssen wir sofort einkaufen. Tütensuppen, Butter, harte Wurst, Kartoffeln, Gemüse Gewürze, Mineralwasser und vieles andere gibt es draußen in der Provinz nicht."

Anderntags in der Frühe rollen Fahrer Erka, die Israelis und der Autor aus der Stadt. An Bord sind auch Küchengerät, Getränke, 1000 Liter Diesel, 600 Liter Wasser. Schon nach knapp 60 Kilometern, hinter der Bezirksstadt Dsuun Mod, hört der Asphalt auf. Der längste Teil der Strecke in die Südgobi bietet Schotter, Schlaglöcher, nach Regenfällen vom Verkehr glattgewalzte Lehmstrecken, rechts und links leicht hügeliges Grassland. Hier sind Geschwindigkeiten von 50 bis 80 kmh möglich. Vom Oberdeck des Unimog, aus etwa 2,80 m Höhe schweift der Blick über die menschenleere Gegend, sucht am Horizont nach der nächsten Siedlung und entdeckt davon huschende Zieselmäuse. Hin und wieder passieren wir Haufen von Knochen – Zeugnisse des für die Viehwirtschaft katastrophalen Winters.

Sehenswert auf diesem Abschnitt ist die buddhistische Kultstätte „Eedsh Khad". Dutzende Mongolen machen hier Station. Sie streben einem einer Jurte nachgebildeten hölzernen Rundbau zu. Drinnen in der Mitte befindet sich ein etwa zwei Meter hoher Stein, der Ähnlichkeit mit einer Frau hat und den Gäste schon über und über mit Khadags, den blauen Glückstüchern der Mongolen behängt haben. Manche Leute stecken auch ein paar kleine Geldscheine dran. Andere opfern Teeziegel, die sie auf der Innenseite des die Holzjurte umgebenden Zaunes aufstapeln. Aus etwa 50 Meter Entfernung klingen buddhistische Gebete herüber, abgespielt vom Kassettenrecorder in einem Pkw.

Den imposantesten Eindruck auf dem ersten Tagesabschnitts bieten riesige Steine, von Wind und Wasser erodiert zu Gebilden, die wie Bäume mit dicken Stämmen den Weg säumen. Übernachtet wird auf „Baga Gasryn Czuluu", einem vulkanischen Plateau, das in einem vor Urzeiten entstandenen Krater eingebettet ist. Die Zufahrt ist die erste Prüfung für den „Unimog". Durch eine Schlucht, kaum zweieinhalb Meter breit, geht es bergauf über Wackersteine von 20 bis 45 Zentimeter Durchmesser. Auf dem Rastplatz offenbart der „Unimog" von außen weitere Vorzüge. 220-V-Anschluß, Wasserhahn, Fächer für Pfannen, Töpfe, Feuerholz, Stäbe und Plane für ein Zeltdach. Ein Naturschützer mit Motorrad, der für die Rast kassieren möchte, geht trotz Pistole und Plakette aus der Hosentasche leer aus. Das malerische Gelände ist nicht als Schutzgebiet ausgewiesen, und der Mann hat keinen glaubhaften Ausweis. Am Morgen will er mit seinem Chef wieder kommen –ein leeres Versprechen, wie sich herausstellt.

Dass Gobi nicht nur Wüste ist, erfahren wir etwa 30 Kilometer vor Dalansadgad, dem Zentrum des Bezirks Südgobi. Die Spur schlängelt sich durch eine Ebene, wo niedrige, nur etwa 30 cm hohe Dauerpflanzenbüsche massiv wie Steine das Vorankommen schwer machen. Die Fahrt ist ein Slalom, wenig schneller als Schritttempo, und man hofft nur, dass der Weg bald wieder besser wird. Dalansadgad, die Bezirksstadt bietet Gelegenheit zum Auftanken. Auch der Weg zur Geierschlucht „Jolyn Am", dem Anziehungspunkt an der Gebirgskette „Gobi Gurwan Saikhan", hat noch nichts Wüstenartiges. Wasserläufe, die auf Karten nur gestrichelt sind, führen tatsächlich Wasser. Mancher Jeep muss lange suchen, um eine sichere Durchfahrt zu finden. Die Ufer sind steil unds meist auch sehr mürbe, doch für den „Unimog" kein Hindernis. Bestraft werden wir für den Versuch, den Weg über eine spiegelglatte, nur schwach bewachsene Niederung abzukürzen. Die oberste Bodenschicht erweist sich als vollgesogener Schwamm, aus dem wir uns mit Steinen und einigem für die Küche bestimmtem Holz befreien können.

An der Einfahrt zur Schlucht, die Nationalparkstatus hat, werden wir zur Kasse gebeten. Etwa 12 Mark für das Fahrzeug inklusive Eintritt für sechs und Personen. Ein Mini-Restaurant, ein Museum und Souvenirshops laden zum Besuch ein. Der Weg hinein in die Schlucht ist nur einspurig, für Gegenverkehr gibt es wenige Ausweichstellen. Am Zeltplatz gebietet eine Barriere Halt. Eine Yakherde flieht vor den Ankömmlingen in höhere Regionen. Wir wählen unsere Platz aus und bauen die Zelte auf, während nebenan eine mongolische Gruppe schon eine Schüssel mit Fleisch aufs offene Feuer stellt. Unerwartet treffen wir auf zwei deutsche Radfahrer, die ihr Zelt schon aufgebaut haben. Zwei Kilometer tiefer in der Schlucht, wo wir den Eisgletscher bestaunen wollten, finden wir nur noch Wasser vor. Vor zwei Tagen soll das letzte Eis geschmolzen sein. Wenn die Sonne Mitte September nicht mehr über die Berge in Tal hereinreicht, baut sich der „Kühlschrank der Wüste" bald wieder auf und wird ein mehr als zwei Meter dicker Gletscher. In einem Seitental begegnen wir noch einem „Unimog", den nutzt ein Reiseunternehmen als Küchen- und Wirtschaftswagen. Seine Gäste sind mit Kleinbussen und Jeeps unterwegs.

Das Jurtencamp „Khongoryn Els" ist ausgebucht. Auf dem Weg zu einem Nachtlager bleiben wir stecken. Langanhaltender Regen hat die Spurrinnen im Sacksaulwald voll laufen lassen. Nicht auszumachen ist eine Untiefe in der rechten Spur. Das Fahrzeug bekommt eine tüchtige Schlagseite. Mit dem Spaten gelingt es, den Neigungswinkel so zu verringern, dass alle Räder wieder greifen. Als wir am Morgen aus den Zelten kriechen, erblicken wir in etwa fünf Kilometer Entfernung die Sanddüne, deretwegen die Region „Wüste" genannt wird. Durch den bis zu drei Meter hohen Saksaul fahren wir gut drei Kilometer heran. Eine grüne Ebene, in der Wasserlachen blinken, gebietet Halt. Hier parken Mikrobusse, mit denen Mongolen, Amerikaner, Polen, Holländer und Japaner unterwegs sind. Gleich ihnen wählen wir einen Fußweg durch die Niederung und erklimmen die Düne „Khongoryn Els". Sie ist etwa 15 Kilometer breit und über 100 Kilometer lang und steht ebenfalls unter Naturschutz.

Beim optischen Check unseres „Unimog" entdecken wir einen Bruch am Stabilisator der Hinterachse. Nach etwa 50 Kilometern fahren wir einen Khaschaan an, eine allein stehende, von einem Bretterzaun umfriedete Parzelle, die sich glücklicherweise als eine Werkstatt erweist. Der Besitzer wirft einen russischen Generator Baujahr 1961 an und versorgt das Schweißgerät mit Strom. Der Stabilisator wird mit Arm- und Hebelkraft in die richtige Lage gerückt und befestigt. Der junge Mann beherrscht noch andere Gewerke, das verraten uns eine Filzwickel- und Walkmaschine, eine uralte Drehbank, ein Backofen, an dem seine Frau hantiert, Geweihe von Steinböcken und zwei vornehm eingerichtete Jurten, bereit zur Aufnahme von Gästen.

Die rund 400 Kilometer nach Norden Richtung Khangai bieten kaum Abwechslung, nur ab und zu Kamele. In den Dorfläden ist kaum etwas zu holen, was als Wegzehrung geeignet wäre. Viel Schnaps, etwas Büchsenbier aus Deutschland und Singapur, Zigaretten und dann doch Toffifee. Unvergesslich: Gewaltige Küchenuhren für umgerechnet 26 Mark, die immer wieder geputzt, aber laut Auskunft der Ladeninhaberin kaum gekauft werden. Bald hinter Arwaikheer, dem Zentrum von Uwurkhangai, wieder schlammige Wege, Flussdurchfahrten, Geröllabschnitte, die nur selten von Jeeps befahren werden, und schließlich eine schmale Piste mit grobem Gestein an einem Hang, auf dem nur Schritttempo möglich ist. Wo der Orkhon in gut 20 Meter Tiefe herabstürzt, das übliche Bild: Busse, Jeeps und Pkw vieler Marken und Größen. Einigte Hundert Touristen aus einem Dutzend Ländern genießen den Anblick, einige Mutige wagen sich dort ins Wasser, wo der Fall eine Mulde herausgewaschen hat.

Ausgefahrene Wiesenwege, später Schotterpiste vor und nach dem Kur-ort Khudshirt lassen uns gut vorankommen nach Khar Khorin. Gleich neben dem Kloster Erdenedsuu graben mongolische und deutsche Archäo-logen nach den Überresten der früheren Hauptstadt. Der letzte Ab-schnitt von etwa 370 Kilometern bis Ulan-Bator gehört zu den läng-sten Asphaltstrecken des Landes. Nicht nur wegen des Touristenver-kehrs wird hier regelmäßig nach Frostaufbrüchen ausgebessert.

Nach 1340 Kilometern in acht Tagen rollen wir wieder in Ulan Bator ein. Im Biergarten des KhanBräu werden halbe Liter gestemmt, und die Besitzer von Jeeps und Mikrobussen handeln mit ausländischen Touristen wieder Fahrten aus. Der „Unimog" hat eine gründliche Wäsche nötig.

Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Hugo Kröpelin, News Stories Photos aus Berlin und Brandenburg
(Mai 2001)


   

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Last Update: 03. Januar 2022