Die Deutsche Mongolei Agentur aus Ulaanbaatar präsentiert:
Gespräch mit Dr. Thomas Labahn, Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)
Dr. Renate Bormann, Ulaanbaatar
Thomas Labahn in seinem Büro im Deutschen Haus
Ein wenig erinnert er an Salvador Dali – die fast
bis auf die Schultern reichenden leicht gewellten Haare, ein Blick, der sich im
Irgendwo zu verlieren scheint. Doch dieser Eindruck täuscht. Thomas Labahn ist
hellwach, registriert alles um sich herum, ist sachkundig, nicht nur was seine
Arbeit betrifft.
Interesse vorzutäuschen, wo keines vorhanden, ist seine Sache nicht.
Dreieinhalb Jahre, von Anfang 2003 bis September 2006, hat er das Büro der GTZ
in der Mongolei geleitet. Anlässlich der Beendigung seiner Tätigkeit im Land des
„Ewigen Blauen Himmels" nahm er sich Zeit für ein Interview mit „mongolei.de".
Herr Labahn, würden Sie sich unseren Lesern kurz vorstellen?
Geboren wurde ich 1949 in Lübeck.
Für Politik und Geschichte habe ich mich bereits in der Schule interessiert und
deshalb ein Studium der Politikwissenschaften in Hamburg aufgenommen. Während
des Studiums habe ich als Sprachlehrer, u. a. in der Berlitz School und als
Journalist gearbeitet und gemeinsam mit meiner Frau Anne, unsere Tochter
großgezogen.
Als Natascha in die Schule kam, begann ich, ebenfalls in Hamburg, ein zweites
Studium: Afrikanistik.
Das Thema meiner Dissertation „Die Sprachpolitik in Somalia" führte mich zu
Recherchezwecken nach Mogadischu und damit in engeren Kontakt zu Afrika. Ein
halbes Jahr weilte ich an Ort und Stelle und arbeitete gleichzeitig als
Kurzzeitexperte, u.a. für Somalia Studies Association, von Mitte 1983 bis 1987
über CIM (Zentrum für Internationale Migration und Entwicklung) im Ministerium
für Kultur und Bildung in Mogadischu.
Im Januar 1988 stieg ich dann bei der GTZ ein, zunächst in der Zentrale in
Eschborn. In wechselnden Funktionen war ich zuständig für Länder im östlichen
Afrika. Ende 1994 reisten wir nach Äthiopien aus. Meine Aufgabe: Der Aufbau des
Landesbüros der GTZ. Acht Jahre, bis 2002, war ich hier als Landesdirektor
tätig.
Anfang 2003 nahm ich in derselben Funktion meine Tätigkeit in der Mongolei auf.
Von Afrika nach Asien, war das nicht eine große Umstellung?
Seit Ende der 90-er Jahre besuchten meine Frau und
ich mehrmals Zentralasien, Kirgistan und Usbekistan und unser Interesse an
dieser Region wuchs.
Als ich dann Ende 2001 das Angebot bekam, in die Mongolei zu gehen, überlegten
wir beide nicht lange.
Gab es etwas, das Sie an der Mongolei überrascht hat?
… Nein, eigentlich nichts. Wir hatten uns natürlich
gut auf unser neues Umfeld vorbereitet.
Doch, etwas überraschte mich doch. Die Mongolei, das heißt Ulaanbaatar, wirkte
im Vergleich zu Afrika sehr europäisch auf mich. Die zweite Überraschung: Dieser
Eindruck hat sich während der vier Jahre unseres Aufenthalts verfestigt.
Der Grad an Modernisierung war bereits zu Beginn 2003 weit fortgeschritten und
hat sich in sich steigerndem Tempo fortgesetzt. Manches sind nur
Oberflächenphänomene, ich finde das Tempo trotzdem beachtlich.
Bringen diese rasanten Veränderungen, diese Entwicklung, nicht auch negative Wirkungen hervor?
Negative Effekte sind bei Veränderungen nie
auszuschließen.
Abwägen ist wichtig.
Die Überzeugung, dass es nicht so bleiben kann, wie es ist, trifft nicht nur auf
die Mongolei zu. Das Alte weicht. Das Neue kommt. Das sollte auf einem Konsens
beruhen.
Sie kennen nicht nur Ulaanbaatar, Sie sind im Land herumgekommen. Ihre Eindrücke?
Was mich an der Mongolei besonders beeindruckt hat,
waren nicht nur die Schönheit der Natur, der Landschaft., sondern vor allem die
Menschen, ihr soziales System, der Zusammenhalt, die gegenseitige Unterstützung
innerhalb der Familie, ihre Gastfreundschaft.
Besonders gut kennengelernt habe ich die Gobi- und Altairegionenregionen, den
Uvs-, Khuvsgul- und Khentii-Aimag, den Osten des Landes leider weniger gut.
Das erklärte Hauptziel der GTZ besteht darin, die
Bundesregierung bei der Durchsetzung ihrer Entwicklungspolitik zu unterstützen.
Was ist das Besondere an der deutsch-mongolischen Entwicklungszusammenarbeit (EZ)?
Die Mongolei empfängt vor dem Hintergrund ihrer
Einwohnerzahl Unterstützung in mittlerer Höhe. Trotzdem ist die Höhe für
Außenstehende überraschend. Pro Kopf erhält die Mongolei extrem viel: Insgesamt
jeweils zehn Millionen Euro alle zwei Jahre für Technische und Finanzielle
Zusammenarbeit (TZ und FZ).
Für Nepal, zum Beispiel, das 27 Millionen Einwohner hat, werden ähnliche Summen
bereit gestellt.
Der Hintergrund für diese vergleichsweise starke Unterstützung ist im
Historischen begründet:
Die guten Beziehungen der Mongolei zur DDR, die in indirekter Form ihren
Niederschlag darin finden, dass heute 30 000 Mongolen Deutsch sprechen und eine
große Zahl von Mongolen in verantwortlichen Positionen eine Affinität zu
Deutschland haben.
Inhaltliche Gründe für die engen deutsch-mongolischen Beziehungen liegen u.a.
darin, dass die Mongolei ein großes Interesse an deutscher Unterstützung hat.
Seit 1991 hat die GTZ 20 Projekte in der Mongolei
verwirklicht.
Was sind die Kriterien für erfolgreich abgeschlossene Projekte? Woran wird der
Erfolg gemessen?
Die Projekte können mehrheitlich als erfolgreich
eingeschätzt werden.
Ausdruck für die Qualität der deutschen TZ ist die Tatsache, dass seit 2003 die
holländische Regierung vier deutsche Projekte mit 8,3 Millionen Euro
kofinanziert. Möglich wurde das, weil beide Regierungen ähnliche Schwerpunkte
bei der EZ gesetzt haben:
Erklärtes Ziel von EZ allgemein ist dabei immer die Armutsminderung.
Was ist besonders positiv an der Zusammenarbeit mit
den Mongolen?
Wo haben Sie Schwächen entdeckt?
Positiv im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern
sind die Offenheit und Flexibilität der Mongolen gegenüber Veränderungen.
Schwächen sehe ich im steten und schnellen Wechsel an manchen Stellen, der
verhindert, dass sich die Dinge konsolidieren können. All diese Prozesse
brauchen Zeit.
Die Bemühungen auf dem Gebiet der Rechtsnormierung, der Modernisierung des
Rechts, die Erarbeitung eines Zivilgesetzbuches sind durchaus als verdienstvoll
einzuschätzen.
Deutschland engagiert sich seit diesem Jahr im Projekt „Integrierte
Stadtentwicklung".
Augenfällig am Stadtbild Ulaanbaatar ist, dass Gewachsenes rücksichtslos
zerstört wird. Es entsteht der Eindrück, Richtlinien und Regularien werden
ignoriert.
Vielleicht kann unser Projekt dazu beitragen, mehr als nur die schlimmsten
Auswüchse zu verhindern.
Wie wird die Nachhaltigkeit der Projekte und Programme überprüft?
Zu Beginn wird das zu erreichende Ziel definiert
und anhand von festgelegten Indikatoren wird der Grad der Zielerreichung
überprüft. In den vergangenen Jahren ist es gelungen, die Indikatoren zu
erreichen und sie teilweise zu übertreffen.
Unmittelbar nach Beendigung des Projekts kann natürlich nicht festgestellt
werden, ob die Nachhaltigkeit gewährleistet ist oder nicht.
Seit einem Jahr nimmt die GTZ deshalb neuerliche Evaluierungen im Abstand von
einigen Jahren vor..
Die deutsche TZ ist so angelegt, dass die Risiken minimiert sind: Projekte
werden im Rahmen der vorhandenen Partnerstrukturen realisiert, es werden keine
Extraeinheiten aufgebaut.
Stimmen deutsche und mongolische Interessen bei der EZ immer überein?
Das Verfahren für die Identifizierung der Projekte
beginnt mit einem Vorschlag von mongolischer Seite. Die Vorschläge sollten
möglichst der deutschen Schwerpunktsetzung entsprechen. Bei der Prüfung de
Vorschläge werden unterschiedliche Sichtweisen und Einschätzungen thematisiert
und nach Möglichkeit überbrückt.
Das Programm wird schließlich gemeinsam festgelegt.
So gab es zunächst unterschiedliche Vorstellungen zum Programm „Regionale
Wirtschaftsförderung". Von mongolischer Seite wurde ursprünglich der Westen
bevorzugt, Deutschland wollte sich auf die Region Darkhan/Erdenet konzentrieren.
Der Kompromiss sieht nun so aus, dass das Programm in den Regionen Zavkhan und
Darkhan und Erdenet realisiert wird.
Worin sehen Sie den größten Erfolg während Ihrer Tätigkeit in der Mongolei?
Die Vorgaben für mich lauteten erstens, den Zuschnitt des Portfolios an die Schwerpunktsetzung der EZ in der Mongolei anzupassen, um den Zusammenhang zwischen den einzelnen Projekten und die synergetischen Möglichkeiten der Zusammenarbeit besser charakterisieren bzw. nutzen zu können. Zweitens, die Sichtbarkeit der deutschen TZ zu erhöhen. Beides ist mir gelungen.
Wie wirken die deutschen Einrichtungen der Entwicklungszusammenarbeit in der Mongolei zusammen und wie die GTZ mit den internationalen Organisationen sowie den mongolischen Partnern?
Zur internen Zusammenarbeit siehe oben.
Die Zusammenarbeit mit den anderen deutschen Einrichtungen steht unter dem
Motto, das das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit vorgegeben
hat „Entwicklungszusammenarbeit aus einem Guss". Die Mongolei bietet dafür ein
gutes Beispiel.
Die GTZ arbeitet selbstverständlich gut mit dem Deutschen Entwicklungsdienst
(DED), CIM, InWent und dem Senor-Experten Service (SES) zusammen, stimmt sich
mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ab. Das hat seinen Niederschlag in
der Gründung des „Deutschen Hauses" im Jahre 2006 gefunden.
Darüber hinaus verfolgt die GTZ eine enge Zusammenarbeit mit der
Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und mit der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS).
Für die internationale Zusammenarbeit gilt „Geberharmonisierung".
Seit einem Jahr existiert in der Mongolei eine Arbeitsgruppe. Zum Thema
„Privatwirtschaft" fungiert die GTZ als Co-chair.
Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit USAID und der Asiatischen
Entwicklungsbank (AEB).
Der mongolische Hauptpartner für die TZ ist das Finanzministerium.
Die Qualität der Beziehungen ist von sehr unterschiedlicher Natur.Es gibt
stärkere, engagierte Partner und schwächere.
Die Entwicklungszusammenarbeit wurde durch die Deutsche Botschaft in
entscheidendem Maße unterstützt und gefördert.
Vor allem diverse Veranstaltungen im Sinne von Public Relations erwiesen sich
als erfolgreich.
Mit welchen Gefühlen verlassen Sie die Mongolei? Wohin führt Sie Ihr nächster Einsatz?
Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden
Auge.
Zum einen freue ich mich auf meine neue Aufgabe als GTZ-Landesdirektor in
Kathmandu in Nepal.
Zum anderen haben mir die mongolische Kultur, vor allem die mongolischen
Gesänge, viel Freude bereitet. Nicht von ungefähr war ich in Ulaanbaatar der
Repräsentant des „Vereins zur Unterstützung der Oper Ulaanbaatar".
Herr Labahn, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen und Ihrer Familie für die Zukunft alles Gute.
Noch ist die Mongolei für Thomas Labahn nicht Geschichte. Am 26. September wird er nach Ulaanbaatar zurückkehren, um an den deutsch-mongolischen Regierungsverhandlungen zur Entwicklungszusammenarbeit teilzunehmen. R. B.
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Last Update: 03. Januar 2022