Die Deutsche Mongolei Agentur aus Ulaanbaatar präsentiert:

 

Gespräch mit dem Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafter der Mongolei in der Bundesrepublik Deutschland Baldorjiin Davaadorj

am 27. November 2009

von Dr. Renate Bormann, Berlin, Ulaanbaatar
(© Text & Fotos)


Botschafter Davaadorj in seiner Berliner Residenz. 27.11.2009

Am 11. November hat der mongolische Botschafter S. E. Herr Baldorjiin Davaadorj in Berlin dem Bundespräsidenten Horst Köhler sein Beglaubigungsschreiben übergeben.

Für den 27. November sind wir zu einem Gespräch über die Aufgaben, Ziele, Wünsche und Schwierigkeiten, über Familie und Hobbys des neuen Ersten Mannes der Mongolei in Deutschland in der Mongolischen Botschaft verabredet.

Es ist trübe und nasskalt an diesem Novembertag in Berlin, nur der Berliner Bär vor dem Botschaftsgebäude in der Dietzgenstraße verschönt das trübe Bild und scheint alle Besucher fröhlich zu grüßen.

B. Davaadorj ficht das Wetter nicht an. Er träumt nicht vom strahlend blauen Novemberhimmel mit Sonnenschein in Ulaanbaatar.

„Der Präsident, die Große Staatsversammlung und die Regierung haben mir konkrete Aufgaben übertragen. Die umfassenden Partnerschaftsbeziehungen zwischen der Mongolei und Deutschland müssen weiter gepflegt werden, vor allem sind wir am Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, an mehr deutschen Direktinvestitionen interessiert."

Während die kulturellen und zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern seit jeher auf einem hohen Niveau stehen, bietet die Wirtschaft noch sehr viel Entwicklungspotenzial. Zwar sei die Mongolei geografisch weit entfernt, biete selbst nur einen kleinen Markt und habe keinen Zugang zu den Weltmeeren. Das habe deutsche Unternehmer lange Zeit abgeschreckt. Deutschland hätte keine strategischen Interessen in der Mongolei, so eines der Argumente von deutscher Seite.

Seit zwei Jahren habe sich die Situation grundlegend geändert. Rohstoffe sind knapper und teurer geworden. Die Suche nach alternativen Rohstofflieferanten führte unweigerlich zur Mongolei mit ihren immens reichen Bodenschatzvorkommen.

Das Land sei politisch stabil und die zwei großen Nachbarländer Russland und China seien als Absatzmärkte nicht hoch genug einzuschätzen.

Der Botschafter wiederholt zwei der Hauptziele der Regierung: Wir wollen unsere Rohstoffe mit modernsten, umweltfreundlichen Anlagen aus Deutschland fördern und notwendige Produkte und Know-how aus demokratischen Ländern beziehen. Dabei sollen deutsche Unternehmen eine wichtige und aktive Rolle spielen (zum Beispiel durch Investitionen und die Lieferung von Anlagen, so mitwirkend an der wirtschaftlichen Entwicklung der Mongolei). „Die Mongolen haben im Vergleich zu anderen stets ein großes Herz für die Deutschen gehabt" und eine wirtschaftliche Vernetzung beider Länder würde diese Beziehung weiter vertiefen".

Kritisch wertet der Botschafter die Vorarbeiten der beiden Regierungen. Zahlreiche Vereinbarungen der letzten Jahre hätten nur auf dem Papier Bestand, erklärten lediglich Absichten über konkrete Vorhaben.

Doch die kleinen Schritte der jüngeren Vergangenheit seien größer geworden, eine gute Basis für die nächsten Jahre.

„Ich bin ein waschechter „duchin myangad" – Vierzigtausender" (die landläufige Bezeichnung für das unmittelbare Zentrum der mongolischen Hauptstadt. R. B.)

Baldorjiin Davaadorj oder nach westlicher Lesart Davaadorj Baldorj wurde am 07. Oktober 1957 in Ulaanbaatar geboren und nach dem Abschluss der zehnten Klasse der 1. Oberschule zum Studium nach Leipzig delegiert.

Er gehörte zu den ersten Studenten im Fach „Ökonomische Kybernetik" an der damaligen Karl-Marx-Universität.

„Mit Ökonomie hatte das Fach wenig zu tun, es handelte sich um reine Mathematik und ich wechselte nach dem ersten Semester zu Ökonomie und Statistik".

Nach erfolgreich abgeschlossenem Studium arbeitete der junge Ökonom zunächst im Ministerium für Nahrungsmittel und Leichtindustrie. „Das war mir zu trocken". „1981 wechselte ich zur Teppichfabrik in Ulaanbaatar, arbeitete als Schlosser, wurde Schichtmeister und schließlich Ingenieur.

Aus dieser Zeit sind mir viele deutsche Freunde geblieben. (Die Teppichfabrik in Ulaanbaatar ist mit Hilfe von DDR-Spezialisten aufgebaut worden – R. B.)

„1986 startete meine Beamtenkarriere im Staatlichen Komitee für Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland, dessen damaliger Vorsitzender der auch in Deutschland wohlbekannte erste Präsident der demokratischen Mongolei, D. Ochirbat, war".

„Im März 1990 entsandte mich das Komitee in Absprache mit der Mongolbank zum Volontariat nach Deutschland, wo ich als erster Mongole einen Lehrgang bei der Dresdner Bank in Frankfurt am Main besuchte, in einer Zeit, in der sich die Welt veränderte".

„Mein Visum galt für die Bundesrepublik".

„Mit dem Abschluss meines Lehrgangs fiel die Mauer, die Wiedervereinigung Deutschlands stand unmittelbar bevor. Bewegende Tage und Wochen, auch für mich als Mongolen, war mein ganzes erwachsenes Leben doch mit Deutschland verbunden".

1996 trat B. Davaadorj als Deutschlandreferent und danach stellvertretender Abteilungsleiter für Handel und Wirtschaft ins Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten ein, von 1999 bis 2003 arbeitete er als Botschaftsrat für Handel und Wirtschaft in Berlin, danach als Unternehmensberater in Ulaanbaatar. 2006 wurde er erneut zum Botschaftsrat berufen, im Juni 2009, kurz vor seiner Rückkehr nach Ulaanbaatar, erreichte ihn die Nachricht, er sei als neuer Botschafter für Deutschland im Gespräch.

Die 2009 beschlossenen „Grundlinien der mongolischen Außenpolitik" orientieren auf eine enge Verzahnung von außenpolitischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den Partnerländern.

Die Deutschen gelten als besonders akribisch. Sie überlegen gründlich, ehe sie Entscheidungen treffen.

In den vergangenen Jahren haben wir solide Grundlagen geschaffen, um die Mongolei für deutsche Investitionen attraktiver zu machen.

Im Mittelpunkt aller Gespräche zwischen Spitzenpolitikern beider Länder – Bundespräsident und Bundestagspräsident weilten zu offiziellen Besuchen in der Mongolei, unser Parlamentsvorsitzender und unser Ministerpräsident besuchten die Bundesrepublik – standen Wirtschaftsfragen. „Meine Aufgabe sehe ich darin, das fortzuführen und umzusetzen, was meine Vorgänger und die Botschaft insgesamt bisher geleistet haben.

„Wie stabil die politischen Verhältnisse in der Mongolei mittlerweile sind, können Sie auch daran erkennen, wie reibungslos der vor kurzem erfolgte Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten über die Bühne ging. Allen Unkenrufen zum Trotz kam es nicht zum Bruch der Koalitionsregierung, die Große Staatsversammlung hat fristgemäß den Staatshaushalt 2010 und den Haushalt für die nationale Entwicklungsstiftung verabschiedet.

„Wie in Deutschland erachten die mongolischen politischen Parteien die wirtschaftlichen Probleme des Landes wichtiger als ihre eigenen Interessen".

Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zwischen Deutschland und der Mongolei bewegt sich auf einem hohen Niveau und ist nach wie vor wichtig für unsere gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Deutschland hat uns gezeigt, „wie es geht", nennen möchte ich nur die Bereiche Telekommunikation und Umwelt. Vor wenigen Jahren wurden die Projekte in Programme umgewandelt (nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Schutz natürlicher Ressourcen sowie Nutzung erneuerbarer Energien – R.B.). Alle zwei Jahre stellt Deutschland der Mongolei dafür 20 Millionen Euro zur Verfügung.

Nun hoffen wir, dass bei den nächsten EZ-Konsultationen 2010 in Ulaanbaatar Deutschland seine Hilfen sogar aufstocken wird. Genährt werden diese Hoffnungen durch die Anregung des neuen Bundesministers für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, die Zusagen für Indien, Brasilien oder China zu überprüfen.

Es steht außer Frage, die Abstimmung zwischen den zuständigen Behörden beider Länder, aber vor allem zwischen denen der Mongolei kann und wird verbessert werden.

Im Unterschied zu meinen früheren Missionen bin ich jetzt nicht mehr nur für Wirtschaft und Politik zuständig, sondern „für alles". Das ist Neuland für mich. Da kommt es darauf an, die richtigen Akzente zu setzen, sorgfältig abzuwägen. Ganz wichtig sind in diesem Zusammenhang enge vertrauensvolle Kontakte zu den Mongolen, die lange Zeit in Deutschland und Berlin leben und arbeiten. Welche Probleme und Interessen haben sie, wie können wir uns gegenseitig unterstützen. Der Botschafter ist kein Einzelkämpfer. „Wir sind alle Teile eines großen Projekts". Und das bezieht sich nicht nur auf die Mongolen in Deutschland oder Europa, sondern auf die Zusammenarbeit zwischen Botschaft und den Behörden in der Heimat. Netzwerke zu knüpfen, Initiativen zu zünden und zu nutzen sowie die dafür geeigneten Partner zu finden, wird uns die Erfüllung unserer gemeinsamen Ziele, die Mongolei weiter in ihrer Entwicklung voranzubringen, erleichtern.

Bei der Frage nach den Widerständen unter Deutschen und Mongolen gegen seine Berufung als Botschafter überlegt B. Davaadorj nur kurz.

Die seien ihm bekannt. Er kennt die Verursacher.

Doch kein Einziger hätte offen zu seiner Meinung gestanden. Alle Vorwürfe seien anonym vorgebracht worden. Es handelte sich um Unterstellungen und Verleumdungen. „Warum hat keiner oder keine um ein klärendes Gespräch mit mir gebeten?"

„Vielleicht bin ich irgendwann dem einen oder anderen auf die Füße getreten. Und wenn es so wäre, dann tut es mir auch leid. Aber mehr Offenheit von allen Seiten verhindert in Zukunft ähnliche Irritationen".

In seiner knapp bemessenen Freizeit beschäftigt sich Botschafter Davaadorj gern mit seiner Enkelin und versucht Sport zu treiben – er ist Mitglied im Mongolischen Golfsportklub. „Erst spät habe ich das Golfspielen gelernt, es ist wunderbar entspannend, doch leider finde ich zu wenig Zeit, um es intensiver zu betreiben".

Mit meiner Frau – wir haben uns während unseres Studiums in Leipzig kennengelernt – und unseren Kindern gehe ich sehr gern ins Kino, ich lese gern, zurzeit „Der blutige Frühling" von Lothar Erling, eine Geschichte über die ersten deutsch-mongolischen Begegnungen bei Legnica im Jahr 1241.

„Und – Sie werden staunen – ich koche gern. Mongolische und deutsche Gerichte. Meine Familie hat sich noch nicht beklagt".

Die beiden Kinder des Botschafters haben gerade ihre Studien in Potsdam und Berlin abgeschlossen. Der Sohn, übrigens in Leipzig geboren, bereitet sich gerade auf seine Promotion vor, die Tochter will nach dem Bachelor ihren Master machen.

Zum Abschluss die unvermeidliche Frage nach Tsagaan Sar, dem mongolischen Neujahrsfest und Naadam, dem Nationalfeiertag.

„Natürlich. Tsagaan Sar ist ein wichtiges Fest für die Mongolen. Doch nach dem Tod meiner Mutter spielt es für mich persönlich nicht mehr eine ganz so große Rolle.

Auch Naadam können wir Mongolen nicht mehr vollkommen entspannt genießen. Früher waren die traditionellen Ringkämpfe Höhepunkt für die ganze Familie. Doch Dopingvorwürfe gegen Spitzen- und Nachwuchsringer frustrieren".

„Herr Botschafter, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen und Ihren Mitarbeitern Erfolg bei allen Vorhaben. Zunächst erst einmal für die „Hippologica", deren Gastland die Mongolei in diesem Jahr ist".

Das Gespräch führte Renate Bormann.


   

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