Bayern liegt vorn – auch in der Mongolei
Von Hugo Kröpelin

Der Freistaat Bayern wird in Deutschland nicht selten als das führende Bundesland genannt. Doch nicht nur zwischen Flensburg und Zugspitze nehmen Konzernchefs, High-Techniker, Künstler und Sportler von Allgäu bis Vogtland Spitzenpositionen ein. Stärker als alle anderen Bundesländer präsentiert sich das seit Jahrzehnten CSU-regierte Land in diesem Jahr in der Mongolei, die sich 1924 im Schatten der Sowjetunion den nichtkapitalistischen Entwicklungsweg auf die Fahne geschrieben hatte.


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"Den Kapitalismus überspringen" – dieses Kunstwerk eines mongolischen Malers ziert die nördliche Giebelwand der staatlichen Zentralbibliothek im Herzen von Ulaanbaatar. Ein Reiter in Nationaltracht springt mit seinem Pferd über einen breiten schwarzen Streifen, wohl einen Graben darstellend, und landet mit auf der anderen Seite. Doch von dem Wandgemälde, dessen Farben sanft vom Zahn der Zeit abgenagt werden, sind es nur wenige Pferdelängen bis zum "Khan-Bräu". Der deutsche Unternehmer des 1996 eröffneten Lokals stammt aus dem Raum Stuttgart. Doch im Wettbewerb mit einem anderen deutsch geprägten Gasthaus lud er sich eine Blaskapelle aus dem Münchner Randgebiet zu "Bayerischen Tagen" ein. Hunderte Gäste lauschten täglich im Biergarten den ungewöhnten Rhythmen, auch wenn sich viele das Bier oder die Weißwurst nicht leisten konnten. Denn für eine Maß kann man zehnmal Trolleybus oder 20mal Omnibus fahren.

Weit weniger publikumswirksam weilten diesen Sommer 14 Mediziner aus München und Oberbayern in der Zentralen Kinderklinik von Ulaanbatar. Der dortige Direktor Prof. Dr. Magsaryn Tumennassan und seine leitenden Ärzte stellten ihnen mehrere Patienten mit komplizierten Erkrankungen vor. Der fachliche Erfahrungsaustausch vor Röntgenbildern über die besten Heilungsmethoden blieb nicht bei der Theorie stehen – mehrfach standen deutsche und mongolische Mediziner gemeinsam am OP-Tisch. Unter anderem korrigierten Prof. Tumennassan und Prof. Dr. Ingo Joppich gemeinsam eine Fehlbildung im Afterbereich eines neun Monate alten Mädchens. Die Gäste aus Bayern hielten mehrere Vorträge und vereinbarten Schritte zum Ausbau der wissenschaftlichen und medizinischen Zusammenarbeit.

Das bisher größte mongolisch-bayerische Ereignis in diesem Jahr war der 5. Geburtstag des Projektbüros der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) in Ulaanbaatar. Erste Kontakte der Stiftung mit der mongolischen Regierung hatte es schon 1993 gegeben, seit 1995 sind Vereinbarungen zwischen der Regierung und der Stiftung zur Förderung und Beratung im Bereich des Rechts und der allgemeinen Verwaltung wirksam. Diese Dokumente haben Dutzende von Aktivitäten ausgelöst. Das Rechtsinstitut der Staatsuniversität Ulaanbaatar und die Universität Bayreuth erklärten 1996 ihre Bereitschaft zu partnerschaftlicher Zusammenarbeit. Im selben Jahr flogen eine mongolische Studentin zur 1,5-jährigen Weiterbildung als Übersetzerin und eine wissenschaftliche Mitarbeiterin zum zweijährigen Magisterstudium in München ein. Ein Rechtsexperte aus Bayern untersuchte in den Bezirken Khowd, Uwurkhangai und Südgobi, wie dort das Gesetz über die öffentliche Verwaltung durchgesetzt wird.

1997 informierte sich der stellvertretende Polizeipräsident des Regierungsbezirks Niederbayern/Oberpfalz im Präsidium und anderen Einrichtungen der Polizei von Ulaanbaatar, wenig später holte sich ein Parlamentsmitglied aus der Mongolei im Innenministerium und mehreren Polizeirevieren Münchens, bei Grenzern, Kriminalisten und Ordnungspolizei wichtige Erfahrungen für die Arbeit der mongolischen Behörden.

Zu zahlreichen Seminaren und Symposien weilten bayerische Wissenschaftler in der Mongolei. Dabei ging es nicht nur um die Rechtsreform, sondern auch um aktuelle Probleme der Erziehungswissenschaft und des Schulrechts sowie um Medienpädagogik. Ein Workshop zur Curriculumentwicklung im Jurastudium im Oktober 1997 war der Auslöser dafür, dass dieses Studium in der Mongolei mittlerweile von vier auf fünf Jahre ausgedehnt worden ist.

Eine wichtige Funktion übt das Projektbüro der HSS auch in der Rechtspropaganda aus. Da die in Ulaanbaatar gedruckten Zeitungen nur mit großen Verspätungen und manche gar nicht in der tiefen Provinz ankommen, organisiert es seit Mai 1997 monatlichen Funkunterricht und bezieht dazu das Rechtsinstitut der Uni, die Polizei, die Generalstaatsanwaltschaft und die Partner in der GTZ-Gruppe im Justizministerium ein. Das sind bei weitem keine trockenen Lektionen, geht es doch um regelrechte Alltagsfragen wie zivilrechtliche Verträge, um Erbrecht, Arbeitsverträge, Verhinderung von Straftaten, Kaufverträge im Viehhandel und die Rechte von Verbrechensopfern. Mitgewirkt hat die HSS an Gesetzentwürfen (Strafgesetzbuch, Strafprozessordnung, Polizeigesetz, Verwaltungsprozessordnung), die nun dem Parlament zur Verabschiedung vorliegen.

Vor drei Jahren wurde in Zusammenarbeit mit der GTZ eine interne Datenbank des Justizministeriums in Betrieb genommen, dank derer alle Gesetze und Beschlüsse des Parlaments online abgerufen werden können. Seit Juni 2000 gibt es eine interne Datenbank mit einem Zugangssystem zum Staatsinformationsdienst für alle Dienstbereiche des Justizministeriums und der Generalstaatsanwaltschaft.


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Es ließen sich noch Dutzende Publikationen aufzählen, die das HSS-Projektbüro, bestehend aus Frau Prof. Dr. Tserenbaldaviin Sarantuya, dem Projektmanager Avirmediiin Mendbayar und dem Assistenten Nerenjidiin Batzul, ebenfalls mit angeschoben und organisiert hat. Nicht zu vergessen die internationalen Seminare mit Rechtsexperten aus den USA, Russland und Deutschland. Genug Grund also für einen Naadam. Naadam (richtig: eriin gurvan naadam – drei Spiele der Männer) wird nicht nur über drei Tage zum Nationalfeiertag veranstaltet. Jubiläen sind auch ein Anlass, mit einem Eintags-Naadam eine Berufsgruppe zu ehren oder die Verdienste einer Organisation zu würdigen. 64 Ringer sowie Bogenschützen und Rennreiter im Kindesalter ehrten mit ihren Wettkämpfen die Abordnung aus dem Freistaat. Hans Zehetmair, Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, und seine Begleiter zeichneten die Sieger aus und erfreuten sich, mehrfach von langanhaltenden Regenschauern gestört, an Tsam-Tänzern. Unterm sicheren Regendach gab es nicht nur freundschaftliche Gespräche mit Ex-Präsident Ochirbat und Ex-Parlamentschef Gontchigdorj. Auch die neuen Regierenden von der MRVP pflegten den angeregten Plausch mit bayerischen Politikern und Wissenschaftlern.

Berührungsängste mit der MRVP habe es ohnehin nicht gegeben, sagte Frau Prof. Sarantuya. "Schließlich hat die mongolisch-bayerische Zusammenarbeit in der Legislaturperiode begonnen, in der die Reformkommunisten an der Macht waren." Und sie ist für dieses Jahr noch nicht zu Ende. Angesagt haben sich in Ulaanbaatar Peter-Joachim Kasiske vom Institut für Rechtsphilosophie und Rechtsinformatik der Uni München, Dr. Jürgen Harbich von der Verwaltungsschule Bayerns, Prof. Dr. Johann Wittmann, Vizepräsident des Landesverfassungsgerichts, und schließlich Justizminister Manfred Weiß.

 


Basilikum gefällig ? Europäische Köche in der mongolischen Hauptstadt wissen die tropfenbewässerte Gewürzpflanze aus dem Gewächshaus zu schätzen. Mit Marketingtraining hat Prof. Frenz seine Schützlinge auf den günstigsten Absatz der Erzeugnisse trainiert
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Ein bayerischer "Botschafter" ist ohnehin vor Ort: der emeritierte Prof. Friedrich-W. Frenz von der Fachhochschule Weihenstephan. Seine "Residenz" ist ein kleines Gewächshaus in der Landwirtschafts-Universität im Ortsteil Saissan von Ulaanbaatar. Dort trimmt er ein Dutzend talentierte Studenten mit computergesteuerter Bewässerung von Gemüsekulturen in Richtung Diplomarbeit. Seine Frau unterrichtet die jungen Leute nicht nur in deutscher Sprache, sondern führt auch Regie bei der Erstellung eines mongolisch-deutsch-englischen Wörterbuchs der Agrarwirtschaft.

Dass sachliche Zusammenarbeit auch persönliche Freundschaften beflügelt, machte dieser Tage eine Veröffentlichung im "Donaukurier" deutlich. Helmut Auer, CSU-Ortsvorsitzender von Pfaffenhofen, feierte seinen 50. Geburtstag. "Many years of happiness to come" wünschte ihm kein geringerer als der jetzige mongolische Regierungschef und Vorsitzende der Regierungspartei, Nambaryn Enkhbayar. Kennen gelernt hatten sich die beiden in der ersten Novemberhälfte vorigen Jahres. Der Geschäftsführer des CSU-Bundeswahlkreises Freising/ Pfaffenhofen hatte sich bei der Revolutionären Volkspartei über die Tätigkeit ihrer Grundorganisationen in der Hauptstadt und in der Provinz informiert....

Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Hugo Kröpelin, News Stories Photos aus Berlin und Brandenburg
(September 2000)


   

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